Abenteuer Forschung im Nationalmuseum

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Germanisches Nationalmuseum Nürnberg:Abenteuer Forschung. Große Sonderausstellung noch bis zum  6. Juni 2020.

Was meinen Museumsmitarbeiter eigentlich genau, wenn sie von „Forschung“ und „Kunsttechnologie“ sprechen? Welche Themen und Fragestellungen treiben sie um? Und mit welchen Methoden gehen sie ihnen auf den Grund? Fragen dieser Art beantwortet die große Sonderausstellung „Abenteuer Forschung“ ab Donnerstag, 27. Juni 2019 im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg anhand ausgewählter Objekte und Projekte der vergangenen zwei Jahrzehnte. Erstmals ermöglicht eine Ausstellung damit einen Blick hinter die Kulissen der renommierten Forschungseinrichtung und zeigt, was ein Forschungsmuseum ausmacht.

Am Anfang stehen Grundfragen

Der erste Ausstellungsraum beschäftigt sich mit den Grundfragen, die Wissenschaftler zunächst an ein Objekt stellen: Wer hat es gefertigt? Wann und wo? Aus welchem Material und zu welchem Zweck? Exemplarisch stehen hierfür der sagenumwobene Goldhut von Ezelsdorf-Buch, über dessen Funktion Archäologen bis heute diskutieren, das berühmte Selbstbildnis von Rembrandt, dessen eigenhändige Urheberschaft eine Expertenkommission einst bestätigte, und der kuriose Wurstbügel, dessen Verwendung als Einfüllhilfe für Brät in Wurstpellen oft Erstaunen und Schmunzeln hervorruft.

Die Spanne ist weit, doch egal ob Gemälde, archäologischer Fund oder Handwerksgerät, die Grundfragen bleiben identisch. Ihnen wird zunächst mit Fachwissen und Quellenforschung nachgegangen, wenn es um die Herausforderung von Datierungen, Zuschreibungen an Künstler, Gruppen oder Regionen geht.

In einem zweiten Schritt stellen sich Fragen nach vergangenen Restaurierungen oder Umarbeitungen. Wurde das Objekt einst verändert oder ist es noch in seinem ursprünglichen Aussehen erhalten? Dabei helfen heute modernste naturwissenschaftliche Verfahren. Doch was liefert welche Ergebnisse? Wozu dienen Röntgen-, Fluoreszenz- oder dendrochronologische Analyse?

Kunsttechnologische Untersuchungsmethoden

Die anschließenden Ausstellungsräume zeigen, mit welchen kunsttechnologischen und naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethoden heutzutage gearbeitet wird. Die Röntgenaufnahme eines Blumenstilllebens offenbart,
was mit bloßem Auge nicht zu erkennen ist: Die Blüten des prächtigen Straußes wurden einst aus anderen Gemälden herausgeschnitten und zu einem neuen Blumenstillleben zusammengefügt. Einzelne Knospen und Zweige wurden ergänzt, um die Symmetrie der Komposition zu wahren. Ein weiteres Beispiel bildet die Klapptafel der Nürnberger Kammmacher. Die sichtbare Malschicht zeigt zwei Handwerker, die eine Kartusche rahmen, auf der bereits der Hinweis „Anno 1819 Renove“ auf eine Übermalung hinweist. Die Röntgenaufnahme fördert eine ältere Fassung zutage, auf der die Dargestellten „altmodischere“ Kleidung tagen. Eine Infrarotaufnahme macht die ursprüngliche Datierung von 1647 sichtbar.

Ausgestellt sind außerdem Werke, deren Zuschreibungen korrigiert werden mussten: Im Jahr 1937 erwarb das Museum vermeintlich alte Schweizer Masken als Beispiele langjähriger volkstümlicher Handwerkstradition. Quellenforschung ergab: Die Exponate sind mitnichten so alt wie gedacht. Sie entstanden ebenfalls im 20. Jahrhundert und stehen vielmehr für den florierenden Handel, der damals aus dem neu erwachsenden Interesse an alten Bräuchen entstand. Ein weiteres Beispiel erzählt die Geschichte eines Spielzeugpferdes, das einst zu einem exzellenten Beispiel deutscher Volkskunst umgedeutet wurde, inzwischen wieder als in der Schweiz gefertigt gilt. Dendrochronologische Untersuchungen klärten zweifelsfrei die Herkunft seines Holzes.

Angewandte Forschung im Museum

Auf das für ein Museum wesentliche Tema „Licht“ wird besonders eingegangen. An Hands-On-Stationen können Besucher erleben, wie unterschiedliche Lichtquellen unsere Wahrnehmung verändern. Wie geht ein Museum damit um? Licht ist schädlich für Exponate und lässt Farben verblassen, soviel ist bekannt. Doch welche Bestandteile des Lichtes sind die für Kunstwerke gefährlichen? Und lassen sie sich, wenn entschlüsselt, eliminieren und durch andere ersetzen – und damit museumsgeeignete Leuchtmittel herstellen?

Das Institut für Kunsttechnik und Konservierung arbeitet zu diesem Thema eng mit der Industrie zusammen, es berät Leuchtmittel-Hersteller und erstellt Gutachten für neue Produkte, um gemeinsam Antworten zu finden.

Das Ende der Ausstellung gibt einen Ausblick auf kommende Forschungsprojekte: Im Spätmittelalter waren in Nürnberg Schembartläufe beliebt – Umzüge, bei denen mit Masken Verkleidete durch die Innenstadt zogen. Davon zeugen sogenannte Schembartbücher. Rund 80 Exemplare aus der Zeit zwischen 1449 bis 1524 haben sich erhalten, die einzelne Schembartläufer in ihren fantasievollen Kostümen zeigen. Mit viel Aufwand sind die Bücher
individuell von Hand gestaltet. Warum so viele? Wem gehörten sie? Warum wurden sie nicht gedruckt, wenn eine hohe Auflage benötigt wurde?

Antworten hat das Museum noch nicht, erhofft sich aber, im Rahmen des Forschungsprojekts welche zu finden.
Forschung ist dynamisch – es bleibt spannend!

Wie geht es weiter? Das Wissen über unsere kulturelle Vergangenheit ist heute umfangreicher, detaillierter, aber auch dynamischer denn je. Vermeintliches „Wissen“ wird regelmäßig hinterfragt und bei Bedarf korrigiert, Datierungen werden umgeschrieben, im Gegenzug manch‘ vage Vermutung bestätigt. Das kritische Hinterfragen angeblich endgültiger Ergebnisse über Epochen und Exponate bleibt wesentlich. Es ist die Basis, um großen Diskussionen der Gegenwart zu begegnen.

Und so endet die Sonderausstellung mit der Frage „Wozu Forschung am Museum?“ und gibt Perspektiven für eine zukünftige Forschungsrelevanz. Soll sich das Germanische Nationalmuseum künftig mehr aktuellen Trends widmen? Die Exponate geben es her – und liefern Diskussionsgrundlagen für Themen wie Interkulturalität, neue Achtsamkeit, Gender, Urbanisierung versus Globalisierung, Konnektivität und Health Style.

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