Nicht für die Ewigkeit
Erinnerung und Vergänglichkeit spielen in der Kunst von Ursula Kreutz eine große Rolle.
Die in Fürth lebende gebürtige Rheinländerin ist von der Jury des Forums Kultur der Metropolregion Nürnberg zur Künstlerin des Monats gekürt worden: Subtil und vielschichtig komponiert sie ihre künstlerischen Objekte, Wand- und Raumarbeiten. Ursula Kreutz, die an den Kunstakademien in München und Nürnberg studiert und diese Studien in Palermo, Israel und der Schweiz ergänzt hat, experimentierte von Anfang an mit der Fotografie.
Jedoch nicht mit dem Fotoausdruck auf Papier: Der bevorzugte Werkstoff der Künstlerin ist die Textilie. So ist mit farblich zurückhaltenden digitalisierten Fotomotiven bedruckter transparenter Chiffon, ein leichtes, transparentes Gewebe, fast so etwas wie ein Markenzeichen geworden.
„Die Leichtigkeit der Struktur, die Trägereigenschaften, die Anpassungsfähigkeit – Textil ist unglaublich vielfältig. Mein erster Lehrer an der Nürnberger Akademie, Hans Herpich, hat es als ‚Lebensgeflecht‘ bezeichnet, da es flexibel ist und sich anpasst. Womit sonst lässt sich denn das Zeitliche und die Auflösung so gut verbildlichen wie an Textilien?“, erläutert die Künstlerin. Neben ihrer Arbeit mit Textilien bezieht Ursula Kreutz auch immer Film und Performance in ihre Kunst ein.
So lebte die Künstlerin 2010 beim Künstlersymposium „37 Grad“ drei Wochen in einem transparenten Zelt im Wald und verschwamm durch ihre Camouflage-Bekleidung regelrecht mit der Umgebung. Kunst zwischen Zeit und Vergänglichkeit Eine konstante Komponente seit vielen Jahren ist und bleibt das Einbringen und Gestalten von Zeit: Ursula Kreutz setzt ihre Arbeiten Witterungen, zeitlichen Alterungen und Auflösungen aus; in anderen Werken sind die Zeit und das Vergangene als Erinnerung selbst das Thema.
Ein Beispiel ist die Installation FUALUN von 2022 auf dem Nürnberger Johannisfriedhof. Hier verwendete Kreutz 120 Textilbanner, die aus 60 Filmstills eines alten Super-8-Films ihres verstorbenen Vaters erstellt wurden. Die zwei Monate lang aufgespannten Banner, die Kindheitsszenen und Familienbilder zeigten, verwitterten im Laufe der Zeit und lösten sich langsam auf – ein Prozess, der die Künstlerin tief berührte. Wind und Wetter haben die Auflösung unterstützt und zu immer stärkerer Ausbleichung und zur Zersetzung geführt.
FUALUN bedeutete für Kreutz auch, jede Woche mehrere Stunden auf dem Friedhof zu verbringen, sich mit dem Raum zu verbinden und vertraut zu machen – mit der Vergänglichkeit auf Tuchfühlung gehen. Einige Arbeiten in Kreutz‘ Werk entwickeln sich hingegen immer weiter. So werden sie – oder Teile von ihnen – aufgegriffen und in neuer Gestaltung und anderen Zusammenhängen wiederverwendet. Bei ade_imago beispielsweise, der letzten Ausstellung Auf AEG, hat die Künstlerin frühere und neue Projekte und Motive auf Fototapete gedruckt, in kleine Schnipsel gerissen und miteinander in Beziehung gesetzt. Viele ihrer Werke, wie die filigranen Wandgebilde in einer Salzburger Galerie, sind von Natur aus vergänglich und zersetzen sich, sobald sie abgenommen werden. Kreutz hält diese jedoch meist fotografisch oder filmisch fest, um der Flüchtigkeit etwas entgegenzusetzen.
Ihre Werke greifen immer wieder existenzielle Fragen und Fragen der Wahrnehmung auf sowie die Themen persönliche und kollektive Erinnerung. Typisch für Kreutz sind dabei ihre einzigartigen Titel: Abkürzungen oder Zusammenziehungen von Silben oder gar Wörtern, die auf „a“ enden. „Latein eignet sich besonders, um Ewiges und Vergängliches zu hinterfragen“, erklärt Ursula Kreutz, die ihre Arbeit als einen Versuch sieht, dem unaufhaltsamen Vergehen der Zeit etwas entgegenzusetzen. „Meine Kunst entsteht zum Teil aus der Möglichkeit zur Selbstwirksamkeit. Es gibt ja eine gewisse Hoffnungslosigkeit, denn es vergeht sowieso alles. Um der Ohnmacht etwas entgegen zu setzen, ermöglicht das Gestalten meiner Werke, die Zeit ein wenig bearbeiten zu können, dem Vergehenden selbst etwas entgegensetzen zu können.“