euward8 der Augustinum Stiftung

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euward8 der Augustinum Stiftung im Haus der Kunst München mit Felix Brenner, Andreas Maus und Kar Hang Mui vom 30. April bis 27. Juni 2021

Mit der achten Ausgabe findet der euward (European Award für Malerei und Grafik) zum vierten Mal im Haus der Kunst statt, diesmal jedoch mit einer entscheidenden Veränderung: Die Ausstellung ist nun ein Baustein, der wie alle anderen Projekte im Jahresprogramm des Haus der Kunst kommuniziert wird. Mit diesem Schritt stehen allein die Künstlerinnen und deren Werke im Vordergrund – ganz im Sinne der Ausrichtung des Preises, bei welcher es um Etablierung im Kontext der zeitgenössischen Kunst geht.

Felix Brenner (geb. 1955 in Basel) hat durch psychoaktive Drogen erstmals die Ausdehnung seiner Selbstwahrnehmung  erfahren. Seit dieser prägenden existenziellen Erfahrung wurde er künstlerisch tätig und hat sich vielfältige Interessengebiete erschlossen; z.B. beschäftigt er sich sowohl ethnobotanisch als auch in Zeichnungen mit Pflanzen, die halluzinogene Wirkstoffe enthalten.

Der Frage nach der eigenen Identität und ihrer Veränderlichkeit geht Brenner in seinen Selbstporträts nach. Für diesen Werkkomplex setzt er unterschiedliche Techniken ein, das Spektrum reicht von der Zeichnung mit Bleistift über Tusche und Aquarell zur Lithografie. Brenner präsentiert diese Werke Blatt an Blatt, so dass mehrere Reihen die Wand füllen wie ein Tableau. In den Selbstporträts blickt er mit dokumentarischer Absicht auf sich als Hauptakteur, der nach den Spuren seines kompromisslosen Handelns sucht. Als ihm z.B. die Enteignung seines Ateliers im Jura drohte und er sich gezwungen sah, alles aufzugeben, vernichtete er sein bisheriges Werk bis auf drei größere Arbeiten durch Feuer.

Eine Nähe zum Manifest ergibt sich über den Einfluss der linksalternativen Szene in Basel auf seine Biografie. „Ich habe genug von kapitalorientierter Verfütterung demokratischer Freiheit. Ich möchte in einer Welt leben, in der Raum zum Existieren bleibt“, schreibt er in der grafischen Arbeit „Warum will ich Regierungs- oder Großrat werden?“ Das literarische Interesse findet auch in Hörspielen („in the hell of a heavy night“, SFR 2015) Ausdruck sowie in der Zusammenarbeit mit dem Schweizer Schriftsteller Michael Stauffer, aus der u.a. eine 4 Kanal-Videoarbeit hervorging („Marieluisis“).

Die Bücher von Andreas Maus (geb. 1964 in Köln) sind teils Notizbuch, teils Tagebuch, teils Künstlerbuch. Maus füllt die Blätter dieser Bücher bis an den Rand. Er selbst spricht von der Befreiung der inneren Wut durch das Zeichnen. Die Bewegungen fügen sich zu flächigen Mustern aus den Grundformen Linie, Halbrund, Kreis und Quadrat. So entsteht aus einem Gittermuster ein Frauenkleid, und aus horizontalen Linien mit versetzt gezogenen Vertikalen ein Mauerwerk.

Die Kugelschreiberzeichnungen erzählen von geschichtlichen Ereignissen wie Bombenanschlägen, Elektroschocks zur Ruhigstellung, Folter und Schlägen in „deutschen Landeskrankenhäusern seit dem Zweiten Weltkrieg“, von historischen Persönlichkeiten wie Anne Frank oder Pina Bausch, und auch von Medien- oder Sportereignissen wie z.B. den Olympischen Spielen. Die einzelnen Blätter tragen handschriftliche Überschriften wie „Leichtathletin beim Lattenübersprung“, „Ein wütender Fußballtrainer“, „Anne Frank war ein Stück Deutschland, was leider ausgelöscht wurde“.

Andreas Maus drückt seine Ansichten und Erfahrungen auch in seinem Text „Es gibt keine Ausnahmen“ (1996) aus, der von ihm selbst eingesprochen zu hören ist. Darin thematisiert er mit großer Direktheit die zähe Entwicklung in Deutschland hin zu einer inklusiven Gesellschaft, wobei er seine eigene Person von Kritik nicht ausnimmt. Das moralische Ziel von beispielgebendem Verhalten formuliert er nicht nur für den Umgang mit Menschen mit Behinderungen, sondern auch für Bereiche wie Sport und für sein Handeln als Künstler: „Das künstlerische Arbeiten hilft, mich aus dem Teufelskreis der inneren Wut zu befreien, da es auch befreiend ist das Unwohlbefinden und die Wut auf dem Papier auszulassen, und wie gesagt sind beschädigte Zähne sehr teuer, muss ich mir für immer merken.“

Kar Hang Mui (geb. 1989 in Goes) ist Kind von Migranten von Hongkong in die Niederlande und hat Hongkong später mehrmals bereist. Die charakteristische Skyline dieser Stadt steht am Horizont mancher seiner Farbstiftzeichnungen. Ebenso lassen die aneinandergrenzenden farbenfrohen Flächen, welche Vorder- und Mittelgrund füllen, an Felder mit Landwirtschaft und die niedrigen reetgedeckten Häuser der Niederlande denken. Die Umrisse von Bäumen bilden ebenfalls deutliche Grenzen zwischen Landschaft und Himmel. Vögel sitzen in den Baumkronen. Aus einem Busch steigt eine Formation von drei mal drei Schmetterlingen auf. Über violetten Bäumen spannt sich ein zitronengelber Himmel. In der mehrfachen Übermalung bleibt die Zeichenbewegung erkennbar, und die Oberfläche beginnt zu glänzen.

In einigen Bildern breiten sich farbige Flächen wie horizontale Bänder aus. Architekturelemente sind eingebettet wie Fragmente von Kulturlandschaft: Teiche, Parks und Tempeldächer. Seine Farbstiftzeichnungen reflektieren die Intensität von Sinnes- und Landschaftseindrücken. Erst allmählich und mit der Möglichkeit eines eigenen Arbeitsraumes bildete sich ein Werkverständnis heraus, und Kar Hang Mui gewöhnte sich an fertig gestellte Werke zu erhalten.

Neben diesen Preisträgern wurden folgende Künstlerinnen nominiert: Aljoscha, Matthew Beadon, Rudolf Bodmeier, Torsten Holzapfel, Elizaveta Khudyakova, Tongtad Mahasuwan, Cameron Morgan, Daniel Nesensohn, Stefan Riedmann, Jens Rosenkilde, Martin Schindler, Alexandre Vigneron und Raphael Waldis.

Die Augustinum Stiftung verleiht den Europäischen Preis für Malerei und Grafik seit 2000, um Künstler*innen im Kontext von geistiger Behinderung innerhalb des Ausstellungsbetriebs zu Sichtbarkeit und Anerkennung zu verhelfen.

Katalog euward8Felix Brenner - Andreas Maus - Kar Hang Mui mit einem Essay von Klaus Mecherlein und Beiträgen von Monika Jagfeld, (St. Gallen, CH), Markus Landert (Ittingen, CH) und Karin Verboeket (Soest, NL); erscheint bei Augustinum Stiftung. 4 Bände im Schuber, 264 Seiten ISBN 978-3-9823046-4-9, 32 €

Gefördert von Aktion Mensch, Edith-Haberland-Wagner Stiftung, Bayerische Sparkassenstiftung, Bezirk Oberbayern, Stadtsparkasse München, Kunststiftung Ingvild und Stephan Goetz (Video-Dokumentation durch Cyrill Lachauer), Kulturstiftung des Kantons Thurgau sowie der Stadt Nidau (Video von Felix Brenner und Michael Stauffer)

www.hausderkunst.de

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