Thomas Gainsborough

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München: Pinakotheks-Verein erwirbt bedeutendes Porträt von Thomas Gainsborough für die Neue Pinakothek.

Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen besitzen eine der bedeutendsten Sammlungen britischer Malerei auf dem europäischen Kontinent. Bereits seit 1978 befindet sich das Porträt der Mrs. Sophia Hibbert vonThomas Gainsborough als Leihgabe des Pinakotheks-Vereins in der Neuen Pinakothek. Dem Pinakotheks-Verein ist es nun gelungen, auch das männliche Gegenstück zu erwerben, das Porträt des Mr. Thomas Hibbert. Beide Porträts entstanden in der Mitte der 1780er Jahre und sind Hauptwerke der späten Porträtmalerei Gainsboroughs. Nahezu 140 Jahre waren die beiden Bilder getrennt. Dass das Bildpaar jetzt wieder zusammengeführt werden kann, ist ein extrem seltener Glücksfall. 

Thomas Gainsborough (1727-1788) gehört zu den glänzendsten Namen der europäischen Malerei des 18. Jahrhunderts. Neben William Hogarth und Joshua Reynolds war er einer der ersten englischen Künstler, die internationale Geltung erlangten. Seinen Ruhm verdankte er vor allem der Porträtmalerei. Gainsborough stammte aus Sudbury in der Grafschaft Suffolk im Südosten Englands. Nach Stationen in London und Ipswich etablierte er sich 1759 in Bath, dem aufstrebenden Badeort im Westen Englands. Dort feierte er mit Porträts der Upper Class große Erfolge. 1774 ging er nach London. Hier entwickelte er sich neben seinem Zeitgenossen und Konkurrenten Joshua Reynolds zum führenden Porträtmaler der britischen Gesellschaft. Seine Porträts vermitteln den Eindruck großer Natürlichkeit und Wirklichkeitsnähe, zugleich strahlen sie Eleganz und Vornehmheit aus. 

Das Porträt des Thomas Hibbert zeigt einen gutaussehenden, modisch gekleideten Mittvierziger in natürlicher Umgebung. Er steht in lässiger Haltung vor einem Abhang mit einer Baumwurzel. Im Hintergrund erstreckt sich eine Landschaft mit Gewässer. Das Rot des Mantels setzt dabei einen starken farbigen Akzent. Das Gesicht und die gepuderten Haare sind in pastellhaft zarten Farben mit nuancierten Übergängen wiedergegeben und bezeugen Gainsboroughs phänomenale Meisterschaft als Porträtist. Kennzeichnend für seine besten Porträts ist die wie selbstverständlich anmutende Inszenierung des Individuums als Teil der umgebenden Natur, ein Reflex der englischen Haltung, die auch im englischen Landschaftsgarten dieser Epoche seinen besonderen Ausdruck gefunden hat. Urbane Kultiviertheit und Naturverbundenheit stellen keine Gegensätze dar, sondern ergänzen sich in vollendeter Harmonie. 

Die Familie Hibbert stammte aus dem Norden Englands und gelangte im 18. Jahrhundert zu Wohlstand und Einfluss. Den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufstieg über mehrere Generationen hinweg verdankte sie den Handelsbeziehungen in die Karibik und somit auch der damit verbundenen Sklavenwirtschaft. Der im Porträt dargestellte Thomas Hibbert (1744-1819) war von 1766 bis 1780 im Unternehmen seines Onkels gleichen Namens in Kingston auf Jamaika tätig, kehrte nach dessen Tod nach England zurück und führte ein eher zurückgezogenes Leben. Er erwarb den Landsitz Chalfont Park in Buckinghamshire, den er von Humphry Repton und John Nash umgestalten ließ. 1784 heiratete er Sophia Boldero, die aus einer Londoner Bankiersfamilie stammte. Der nach den neuesten Grundsätzen von Architektur und Gartenkunst gestaltete Landsitz und ebenso die beiden Porträts, die das Ehepaar von Gainsborough malen ließ, belegen die Zugehörigkeit des Paares zur gebildeten und begüterten englischen Oberschicht. Die Ehe wurde 1796 geschieden, wobei jeder der beiden Ehepartner das Porträt des jeweils anderen bei sich behielt. Vor dem Hintergrund der Familiengeschichte stellt Gainsboroughs Porträt des Thomas Hibbert nicht nur ein glanzvolles Beispiel der englischen Porträtkunst des 18. Jahrhunderts dar, sondern erinnert auch an ein dunkles Kapitel der britischen Geschichte. Neuere Forschungen gehen davon aus, dass bis zur Abschaffung der Sklaverei im Abolition Act des britischen Parlaments (1834) etwa zehn Prozent der Familien aus der britischen Oberschicht unmittelbar mit der Sklavenwirtschaft verbunden waren oder mittelbar von ihr profitierten. 

Die erlesene Sammlung britischer Malerei in der Neuen Pinakothek ist eine der umfassendsten auf dem europäischen Kontinent. Seit König Max I. Joseph im frühen 19. Jahrhundert mit Gemälden von David Wilkie und George Stubbs die ersten Werke britischer Künstler erworben hat, wurde dieser Schwerpunkt kontinuierlich ausgebaut. In den 1960er und 1970er Jahren kamen Gemälde von William Hogarth, Joshua Reynolds, Thomas Gainsborough und William Turner hinzu. Die Erwerbung des Porträts des Thomas Hibbert erhöht die Zahl der Werke von Thomas Gainsborough in der Sammlung auf fünf, mehr als in jedem anderen europäischen Museum außerhalb der britischen Inseln. Nicht weniger wichtig ist es, dass mit der Zusammenführung des Bildpaares auch sichtbar wird, dass die Wertschätzung der Frauen innerhalb der Upper Class ihnen eine im Porträt manifestierte Ebenbürtigkeit bei gleichzeitig differenzierten Rollenzuweisungen zusprach, was weithin noch keine Selbstverständlichkeit war. 

Für das Bildnis der Mrs. Hibbert wurde zudem ein neuer Rahmen nach dem Vorbild des Rahmens am männlichen Porträt angefertigt. Er entspricht einem Rahmentypus, wie ihn Gainsborough häufig für seine späten Gemälde verwendet hat. Die Zusammengehörigkeit des Bildpaares wird so auch durch die Rahmung zum Ausdruck gebracht. 

Während der Sanierung der Neuen Pinakothek sind Hauptwerke in der Alten Pinakothek und der Sammlung Schack ausgestellt. Meisterwerke der englischen Malerei werden in Saal II im Erdgeschoss der Alten Pinakothek gezeigt, wo ab dem 28. Juni auch Gainsboroughs Porträt des Thomas Hibbert zusammen mit dem Porträt seiner Frau Sophia Hibbert zu sehen ist. 

Der Pinakotheks-Verein fördert seit seiner Gründung im Jahr 1953 die Alte und die Neue Pinakothek durch den Ankauf bedeutender Kunstwerke. Zur Erwerbung des Porträts von Thomas Gainsborough haben neben dem Verein selbst mehrere Spender aus dem Kuratorium sowie aus dem Kreis der Förderer und Mitglieder beigetragen, ebenso die Rudolf-August Oetker-Stiftung sowie die Stiftung Dr. Helmut Röschinger. 

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