Friedrich Seidenstücker

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Friedrich Seidenstücker – Leben in der Stadt. Fotografien der 1920er bis 1940er Jahre | Ein Gastspiel der Stiftung Ann und Jürgen Wilde im Käthe Kollwitz Museum Köln. 21. MAI bis 15. AUGUST 2021. 

Das Käthe Kollwitz Museum Köln zeigt eine Sonderausstellung mit Werken des Fotografen Friedrich Seidenstücker (1882-1966) aus den Beständen der Stiftung Ann und Jürgen Wilde, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München.

Neben den wichtigen Fotografenarchiven zu Karl Blossfeldt und Albert Renger-Patzsch beherbergt die Stiftung Ann und Jürgen Wilde eine bemerkenswerte Sammlung zur Fotografie der 1920er und 1930er Jahre. Ein nur wenig bekannter Teil dieses Bestands ist das über 200 Werke umfassende Konvolut an Bildern des Berliner Fotografen Friedrich Seidenstücker.

Friedrich Seidenstücker zählt zu den bedeutenden Chronisten des Alltagslebens im Berlin der Weimarer Republik. Seine atmosphärischen Aufnahmen erzählen von beiläufigen Ereignissen und Begebenheiten: vom leichten Sonntagsvergnügen und vom beschwerlichen Arbeitsalltag, von Kinderspielen auf der Straße und dem Treiben auf Bahnhöfen und im Zoo. Seidenstücker wirft einen augenzwinkernden, geradezu humoristischen Blick auf die Menschen und das Leben in der Metropole. Seine Fotografien von Kleingewerbetreibenden wie Kutschern, fliegenden Händlern, Kofferträgern und Zeitungsverkäuferinnen zeigen jedoch auch die Härten der Großstadtexistenz und lassen oftmals im Hintergrund und an den Bildrändern die Gegensätze der sozialen Realität in den Zwischenkriegsjahren sichtbar werden.

Noch während seines Ingenieurs- und Bildhauereistudiums in Berlin hatte Seidenstücker begonnen im Zoo zu fotografieren. Um 1923 erhielt er vom Zoologischen Garten Berlin eine offizielle Fotografiererlaubnis und entschied sich für die Fotografie als Lebensunterhalt. Eine kleine Patent-Etui-Kamera für das Negativformat 9 x 12 cm ermöglichte ihm unauffälliges Fotografieren und so machte er schon bald die ersten Aufnahmen außerhalb des Zoos auf den Berliner Straßen. Seine Aufnahmen bot er den Berliner Verlagen Scherl und Ullstein an und wurde 1930 als 48-Jähriger vom Ullstein-Verlag als freier Bildjournalist engagiert. In den folgenden Jahren veröffentlichte er seine Fotografien von Tieren und Menschen als kommentierte Einzelbilder, Bildcollagen oder Bildstrecken in zahlreichen illustrierten Zeitungen und Magazinen, wie zum Beispiel in der „Berliner Illustrirten Zeitung“, „Die Dame“, „Die Koralle“, „die neue linie“, „Die Revue des Monats“, „Der Querschnitt“, „Uhu“, „Die Woche“ oder der „Vossischen Zeitung“. Bis in die 1950er Jahre bediente Seidenstücker Bildanfragen für Veröffentlichungen aus seinem Archiv. An seine publizistischen Erfolge der späten 1920er und 1930er Jahre konnte er nach dem Krieg jedoch nicht wieder anknüpfen und so geriet sein Werk nach seinem Tod 1966 in Vergessenheit. Es ist aufmerksamen Historikern, Sammlern und Archivaren zu verdanken, dass es dennoch bis in die letzten Jahrzehnte gesichert wurde und wieder öffentlich sichtbar geworden ist.

Seidenstückers Bilder, ganz besonders die Fotografien des Berliner Stadtalltags, ermöglichen uns heute einen wirklichkeitsnahen Einblick in das städtische Leben der 1920er und 1930er Jahre. Sie sind Dokumente des Alltags, die mit zugewandtem Blick und feinem Gespür die Menschen im sozialen Gefüge der modernen Großstadt zeigen und uns eine Vorstellung geben von den Härten und der Mühsal, aber auch von den Sehnsüchten, den kleinen Ablenkungen und Vergnügungen des Lebens in der Stadt.

Mit der Einladung der Stiftung Ann und Jürgen Wilde, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, zur Ausstellung »Friedrich Seidenstücker - Leben in der Stadt« aus ihren Stiftungsbeständen setzt das Käthe Kollwitz Museum Köln seine Tradition von Fotoausstellungen fort, die im Kontext des Œuvre der Künstlerin betrachtet werden können. Käthe Kollwitz und Friedrich Seidenstücker verbindet ein empathischer, unverstellter Blick auf die Menschen, ihren Alltag und die bitteren Seiten der Großstadtrealität, dem Seidenstückers Fotografien verstärkt auch Facetten von Optimismus und Leichtigkeit abgewinnen.

Die Ausstellung wurde organisiert in besonderer Kooperation und mit wissenschaftlicher Unterstützung der Stiftung Ann und Jürgen Wilde, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München

Kuratorin: Dr. Simone Förster

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