Akt 2

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Libretto - Akt 2 - Banadietricht - Siegfried Wagner


ZWEITER AKT.

Frau Utes Garten uud Hof, alles in Blüthe, links das Haus, rechts eine Linde.
Hinter dem Gartenzaun ein Weg, dahinter ein Flüsschen, über das eine Brücke (etwas rechts) führt. Weiter im Hintergrund düsterer Fichtenwald, stark contrastirend nur Helligkeit vorn.



ERSTE SCENE.

(Zwei Hirten stehen mit ihrer Herde am Zaun uud blasen ein
Lied (in der Richtung des Hauses). Frau Ute, am Zaun gelehnt, lauscht.
Als die Hirten beendet, bringt sie ihnen Speise und Trank.)

UTE.
Gut geblasen! Ehrlich Lob!
Die edle Frau, erkenntlich drob,
Lässt euch sagen, wie sie’s freut,
Hört sie früh eu’r Herdgeläut.
Leider ging’s dem Herrn nicht gut:
Off'ner Wund’ entfliesst noch Blut.
Wohl thun ihm die sanften Lieder,
Lullen in Schlaf die leid’gen Glieder.
Hier zum Lohne für euch zwei
Vollen Humpen, leck’ren Brei.

(Die Hirten geniessen das Gereichte uud ziehen dann über
die Brücke, der Weide zu, ab.)


ZWEITE SCENE.

(Von links wachsender Lärm. Mädchen und Burschen eilen herbei.)

DIE MÄDCHEN.
Ute! Rathe! Wer kommt?
Wer ist da?

DlETLElB (tritt auf).
(Mutter uud Sohn umarmen sich.)

UTE.
Du lieber Sohn!
Du braver Bursch’!
Mein Dietleib du!
Jetzt bleib aber da!
Wie war’s im Krieg?
Im Kampfe Sieg?
Was gab’s zu schaffen?
Taugten die Waffen,
Vom Vater im Sterben
Geweiht seinem Erben!
(Dietleib legt die Waffen nieder.)
Der prächt’ge Helm,
Der frommt meinem Schelm!
Ach! Dietleib! Dietleib!
Erzähl’! Beschreib’!
Sandt’ mir Dietrich keinen Gruss?

DIETLEIB  (setzt sich).
Frag’ nicht! Lass’ mich schweigen.

UTE.
So wärst du nimmer als Mann ihm eigen?

DIETLEIB.
Alles aus! Vorbei! Vernichtet!
Dietrich hat sich seihst, gerichtet!
Die Burg zerstört,
Das Land verheert.
Eidentbunden seine Leute,
Heunen-Horden traur’ge Beute.
Des Himmels Lohn
Für thörichten Hohn!
Vom Weib verrathen,
Vom Teufel berathen,
Der Schuld bewusst,
Trotz in der Brust,
Zauber zwingend,
Vor allen Blicken
Auf Drachenrücken
Kühn sich schwingend,
Flog er dahin!

UTE.
Weh! Was war der Hohn?

DIETLEIB.
Weil er in Gottes heiligen Hallen
Launisch Lachen liess erschallen! —
Im düst’ren Walde haust er nun,
Irrend, jagend, ohne Ruh’n!
Vor ihm die Hirten ängstlich flieh’n,
Den Banadietrich nennt man ihn.
Seines Hornes Ruf, mit rauhem Klang,
Bald hier, bald dort zum Ohre drang,
Und weh dem, der auf irrem Pfad
Ahnungslos dem Wilden naht!

UTE.
Klingt’s doch fast, als gehörte er
Jetzt schon dem verdammten Heer!

EIN MÄDCHEN.
Mich gruselt’s! In den Wald
Bringt mich Keiner mehr so bald.

BAUER.
Mir war es schon so manches Mal,
Als hört’ ich was wie Hörnerschall.

ANDERES  MÄDCHEN  (steht auf).
Still! Hört ihr nicht was?
(Alle lauschen.)

UTE  (lächelnd).
So scholl’s nie aus Dietrichs Mund,
Diesmal boll des Nachbars Hund.

DIETLEIB  (sieht sich um).
Ja! wo ist denn uns’rer hin?

UTE.
Er starb!
Der Knurrer! verdarb die Ruh’ dem kranken Mann.

DIETLEIB.
Einem Kranken?

UTE.
Ja! weisst du noch nicht?
Hier drinnen berg’ ich Einen,
Und mit ihm sein liebes Weib.
Herberg’ suchend, ihn zu heilen,
Bat sie flebend, hier zu weilen.
Den Namen wollte sie nicht nennen,
Was nützt’s auch, ihn zu kennen?
Nur einmal war’s, als hörte ich
Den Namen Dietrich oder Wittich.
Und zweimal rief er, halb erst wach:
Rache! Rache deiner Schmach!
Täglich, wenn es Mittags wird,
Die Frau den Kranken zur Linde führt.
Da flüstern sie; er meint’s recht innig,
Er blickt in sie, so flehend innig.
Sie bleibt sich gleich; nur selten ein Scherz,
Da lächelt sie, ihm kränkt’s das Herz.
Fürwahr, sie ist schön und gut und zart,
Ganz besond’rer Menschenart,
Die Haare anders wie bei uns Frauen,
Die Augen gülden anzuschauen.
Stets trägt sie ihr grün Gewand
Und im Haar wie Schilf ein Band.
Und ein Stimmchen, silbern hell —
So denk’ ich mir die Nix’ im Quell.

DlETLEIB.
Was ahn’ ich?
Künde, wie sie kamen!
Verbirg’ mir nicht die Namen.

UTE.
Nur Abends öfter merkte ich,
Wie sie still zum Bache schlich
Und nicht eher von ihm wich,
Bis die Sonne ganz verblich.
Leisses Singen, wie sanftes Sehnen,
Ich sah ihr das Auge feucht von Thränen.

DlETLEIB.
Mutter! ich muss sie seh’n!
Geht! lasst mich hier allein!

UTE.
Was hast du?

DlETLEIB.
Ich sag’ dir’s später.
Erst muss ich’s wissen.
(Ute und die Uebrigen ab.)


DRITTE SCENE.


DlETLEIB.
Wittich und Schwanweiss!
So ist’s doch wahr,
Was ich nicht glauben wollte.
O schlüpfrig glattes Weiberherz!
(Er klopft an der Pforte, Schwanweiss tritt heraus,
sie erkennen sich.)

SCHWANWEISS.
Dietleib, du?
Suchst du Wittich?

DlETLEIB  (leise).
Schamlos nennt sie laut den Namen,
Statt ihn scheu zu bergen.

SCHWANWEISS.
Bist du grimmig?
Sprich! wem gilt dein Groll?
(Er schweigt.)

SCHWANWEISS.
Dein Auge meidet’s,
Meinem zu begegnen.
Bin ich’s, der du gram bist?

DlETLEIB.
Ich möchte lügen können.

SCHWANWEISS.
Dazu wäre Dietleib zu ehrlich.
Sprich heraus:
Denkst du schlimm von mir?
(Dietleib schweigt.)

SCHWANWEISS.
Wenn ich Wittichs Wunde heile,
Dünkt dich das so arg?

DlETLEIB.
Du red’st so unschuldsvoll.
Wär’ dein Herz so wie dein Mund!

SCHWANWEISS.
Dietleib!
Ach! seid ihr Menschen schlecht!
Bist, auch du bethört., behext?
Eure Augen deckt ein Schleier
Wahrheitsscheu, von Trug gewoben!
So kleinlich sinnst auch du?
Du glaubst an meine Schuld?

DlETLEIB.
Wollt’ ich damals zweifeln,
Glauben muss ich’s heut,
Wo ich euch treffe, scheu verborgen,
Euren Namen zag verschweigend.
Dummkopf hiesse ich mit Recht,
Wenn ich jetzt nicht anders dächt !

SCHWANWEISS.
Wahr sprichst du! ich darf nicht schelten,
Für buhlerisch muss ich dir gelten.
Nur eine Bitte! Hör’ mich an:
Am End’ ich’s doch noch wandeln kann:
Wittich pfleg’ ich, heil’ die Wunde;
Doch von Weh er nur gesunde,
Wenn er einen Schwur mir schwört,
Dass er nicht mehr Rache gehrt!
Du staunst und möchtest fragen!
Der Rache an Dietrich soll er entsagen!

DlETLEIB.
So dürft’ er sich und dich nicht rächen,
Wenn euch wirklich Unrecht traf?

SCHWANWEISS.
Unrecht! bitt’res Unrecht!
Und doch! Dietrich ist nicht schlecht.

DlETLEIB.
Wie? Schwanweiss,
Der dich verstossen,
Den hasst du nicht ?

SCHWANWEISS.
Ich kann ihn nicht hassen,
Zertrat er mich gleich.
Er nicht! Er war es ja nicht!
Ich sah ein widerlich Fratzengesicht.

DlETLEIB.
Doch Wittich?

SCHWANWEISS.
Ach! Der Aermste,
Er liebt mich!
Und ich bin so grausam hart zu ihm.
Ein freundlich Lächeln kühl
Bezähmt sein schäumend Gefühl.
Wie es mich oft im Herzen jammert,
Wenn er sich brünstig an mich klammert.
Denn ich kann ihn nicht lieben;
Ich bin ihm nur gut!
Leicht könnt’ ich entweichen!
Doch er wahrt das Zeichen,
Das ihn an Rache mahnt.
Balmung! Dietrichs Waffe!
Ach! wenn sich nur Einer fände,
Der das Schwert ihm heimlich entwände,
Der es Dietrich brächt’ zurück.
Es wär’ uns Drei’n zum Glück.
Doch wer wär’s! wer fände Dietrich,
Wer wagte es, dem Wilden zu nah’n!
Und welcher Edle gäb’ sich her,
Mit feiger List den Stahl zu stehlen.

DIETLEIB.
Dem Dietleib trautest du’s nicht zu?

SCHWANWEISS.
Zu offen, ehrlich, frei!
Der liess’ sich nie herbei!

DlETLEIB.
Ist’s Wittich’s Heil und Dietrichs Glück,
So weis’ ich keine List zurück.

SCHWANWEISS.
Wenn wir zum Lindenschatten gingen,
Nur dann könnt’ es gelingen.

DlETLEIB.
Doch wo wahrt er’s?

SCHWANWEISS.
In seiner Kammer liegt’s am Bett.
Birg dich! lass dich nicht sehn.
Könnt’ ich dir’s danken,
Wie ich wollte!
Guter Dietleib! du warst mir immer treu gesonnen,
Heil, dass ich dich neu gewonnen!
(Schwanweiss kehrt in’s Hans zurück, Dietleib blickt ihr nach.)

DlETLEIB.
Könnte Lug sich so verhüllen,
Trüge Trug ein solch’ Gewand,
Wahrheit würd’ ich Lüge heissen,
Würde Lüg’ als Wahrheit preisen,
Blickte dieses Aug’ nicht klar,
Trauerte ihr Mund nicht wahr,
Sterne, Mond und Sonnenschein,
Alles müsst’ der Lüg’ ich zeih’n!
(Als er Schritte vernimmt, verbirgt er sich hinter dem Haus.)


VIERTE SCENE.

(Von der Strasse von verschiedenen Seiten her kommen
Ute und Flederwisch.)

UTE.
Ja ! wer kommt denn da.

FLEDERWISCH.
Grüss’ Gott! guten Tag! du braves Weib.
Dich grüsst Magister Flederwisch.
Du lauerst gewiss auf Zeitvertreib,
Drum lasst uns schwatzen hier am Tisch
Friedlich,
Gemüthlich,
Ganz, wie es uns behagt!

UTE.
Ei der Ehr’!
’s ist lang gar sehr,
Dass du nicht kamst zur Ute daher.
Gott zum Gruss!
Doch sag'! der Fuss,
Schafft er dem Wanderer noch immer Verdruss?

FLEDERWISCH.
Verflixt verteufeltes Ungemach!
Ich werd’s nicht los, ich bleib’ halt lahm!
Wie ich damals mir mein Füsschen brach,
Du weisst doch noch, wie der Jammer kam.
Gräulich,
Abscheulich,
Hör’, wie ich mich verstaucht.
Zum Dome trug die Mutter mich,
Ich sollt’ die Taufe frisch empfahn.
Und wie sie sich recht feierlich
Dem Wasserbecken wollte nah’n,
Weh! o Graus!
Da rutscht’ sie aus!
Und das Büblein zart
Fällt zu Boden hart.
Seit der Zeit, ’s ist kein Genuss,
Hink’ ich krumm auf einem Fuss.

UTE.
Andern hilfst du wunderbar,
Nur dir selbst nicht! Sonderbar!

FLEDERWISCH.
So ist des Quacksalbers echt Gemüth,
Das sich für And’re stets nur müht.
Für sie stets weich, für sich nur hart,
Ist das nicht menschlich edle Art?
Doch still! lass uns von anderm reden.
Solch’ Eigenlob macht mich erröthen!
(Sie reicht ihm Wein.)

FLEDERWISCH.
Bei euch geht’s recht üppig zu.
Den Hof ich fast nicht wiederkannte.
Da erbtest gewiss ’was feines du?
Wofür hätt’ man auch Anverwandte?

UTE.
Rupp’gre Verwandtschaft! was der schwätzt
Hab’ ganz and’re Schätze jetzt.

FLEDERWISCH.
Ich platz’ noch vor Wissensgier!
Du bergest wirklich Schätze hier?

UTE.
Lebend’gen Schatz, ein lieblich Paar!

FLEDERWISCH.
Wovon ich hörte, wär’ es wahr?
Ein Pärchen? wie? verliebtes Girren
Zu dir in’s Haus that sich’s verirren?

UTE.
Eheleute, edel gute!

FLEDERWISCH.
Weisst du’s auch genau, Frau Ute?

UTE.
Was genau?

FLEDERWISCH.
Ob Eheleute?
Nun! wenn ich’s ’mal anders deute!

UTE.
Was da wohl wieder zu deuten wär'!

FLEDERWISCH.
Wie unschuldsvoll sie red’t daher!
Ei! stell’ dich nur nicht gar so frumm,
Dein Hirn war sonst doch niemals dumm.
Wenn Weiblein und Männlein aufs Land sich begeben,
Bei Fremden recht friedlich und freudig zu leben,
Da ist die Sache nicht immer ganz eben.

UTE.
Ich bitt,’ mir aus!
Höhnt er mein Haus?

FLEDERWISCH.
Hast du Beweis, dass sie getraut?
Hast auf den Ring du auch geschaut?

UTE.
Was kümmert’s mich!

FLEDERWISCH.
Den Namen aber wirst du sagen.

UTE.
Was schert das dich ?

FLEDERWISCH.
Hollah! das will mir nicht behagen!

UTE.
Trink’ den Wein, du Nörgler du!
Hink’ davon und lass’ mir Ruh!

FLEDERWISCH.
Grobheit ist meist der Beweis,
Dass man sich im Unrecht weiss!
Gewiss! hast Recht! Mich kümmert’s kaum.
Ein Weib wie du, dem der Lenz entfloh,
Das lauscht gar gern, wenn um sie froh
Es webt wie einst im Liebestraum!
Nur leid thät mir’s! —

UTE.
Leid? Für wen?

FLEDERWISCH.
Leid für dich! lass mich’s gesteh’n!
Ehrengeachtet ein ehrliches Haus!
Schad’, würd’ es dem Hohn zum Schmaus!
Ist der Funke erst erweckt,
Schnell die Flamme um sich leckt.
Nachbarzungen sind gar spitz,
Fürchte ihren biss’gen Witz!
Kommt die Kunde
In die Runde,
Dass für Geld du bietest frei
Deine Mauern Buhlerei.

UTE.
Da hör’ Einer zu!

FLEDERWISCH.
Ich sag’ ja nur, mir thut es weh,
Wenn ich dich Weib so arglos seh’!
Ehrengeachtet, du ehrliche Frau!
Achte mein Wort! Dem Warnen vertrau !
Weisst du, wer sie sind?
Wittich ist's, den Dietrichs Weib berückte,
Schwanweiss sie, die Lieb-Begl
Verfehmt, verbannt,
Ob off’ner Schand’!
Gelt, Frau Ute, das dachte sie nicht.
Und wer ist diese Schwanweiss licht?
Wassertümpels gleissender Spross,
Glatt und klebrig, ‘s wird keiner sie los!
Willst du Beweis, befühl’ mit der Hand
Am Saum das Gewand!
Ein Eckchen ist da immer feucht.
Hast das du befühlt, jeder Zweifel fleucht!
Gemeinen Zaubers ist sie mächtig!
Prüf dein Geld! mir wär’s verdächtig!
Und dieser Blumen Ueberblüh’n,
Unheimlich wär’ mir solches Glüh n.
Und glaubst du immer nicht daran:
Wart’! sollst seh’n! ich klopfe an!
(Er klopft an der Pforte, zuckt zusammen und zittert.)
Ha! siehst du, wie ich zucke, zitt’re,
So geht mir’s, wo ich Zauber witt’re!
(Er klopft wieder.)
Das Klopfen tönt im Herzen wieder.
So sind mir Nixen tief zuwider!
Es bebt, es bangt durch alle Glieder,
Am liebsten sänk’ ich betend nieder.

UTE.
Der gute Mann! zuviel der Güt’!
Dass er für mich sich so bemüht.

FLEDERWISCH.
Ich höre Tritte, leises Flüstern!
Pfui! wie klingt das schändlich lüstern.


FÜNFTE SCENE.

Schwanweiss öffnet die Pforte.

FLEDERWISCH.
Doctor doctissimus
Bietet schöner Frau den Gruss!

(Schwanweiss bleibt stehen und sieht ihm lang, unverwandt in's Auge. Er vermag ihren Blick nicht auszuhalten, schaut bald hier, bald dorthin. Unwillkürlich späht ihr Auge auch nach seiner Gestalt, zuletzt nach seinem linken Fuss. Er merkt’s und will ihn hinter den rechten verstecken. Um jenen sehen zu können, macht Scliwanweiss eine kleine Wendung, Flederwisch entsprechend mit ihr, sodass sie schliesslich einen ganzen Kreis um ihn, er einen um sich selbst beschreibt.)

SCHWANWEISS.
Kennt er vielleicht den Raunerath?

FLEDERWISCH.
Leider nicht! ach! wie schad’!
Ist’s ein Mann von weiser Art,
So wie ich, recht hochgelahrt?

SCHWANWEISS.
Ganz wie du, auch bischen krumm,
Hinkt auf linkem Fass herum.

FLEDERWISCH.
Auch er beim Taufen ausgerutscht,
Ward ihm der arme Fuss zerknutscht?

SCHWANWEISS.
Was ist dein Wunsch?

FLEDERWISCH.
Es drang zu mir die Kunde
Von deines Helden Wunde.
Herbeizueilen,
Sie zu heilen,
Dünkt dich das nicht Dankes werth?

SCHWANWEISS.
Solch’ Eifer ist schier unerhört.

FLEDERWISCH  (Hält ihr ein Fläschchen hin).
Flederwisch
Braut Gemisch,
Gesundend wunderbar.

SCHWANWEISS.
Im Flaschen-Zwange,
Falsche Schlange,
Biet’st du das mir dar.
(Schwanweiss nimmt ihm das Fläschchen ab und öftnet es. Eine Schlange schnellt heraus und verschwindet im Boden.)

FLEDERWISCH  (geheim zu Ute).
Sah’st du’s, Trulle?
(Zu Schwanweiss.)
Ich irrte mich!
Die falsche Bulle!
Diese ist’s.

SCHWANWEISS.
Noch ein Stückchen Zauberei?
Fliess’ zur Erde, feur’ger Brei.
(Eine Flamme schlägt auf, Schwanweiss macht eine
Handbewegung, sodass die Flamme zischend verlöscht.)

FLEDERWISCH.
Wie es zischt!
Schlecht sich mischt!
Gleich erlischt!
Wo kamen nur die Tropfen her?
Wasser und Flammen
Passt nicht zusammen!
Das Beste, was ich je gekocht,
Zum ersten Mal hat’s nichts vermocht.

SCHWANWEISS.
Dank für hülfreich’ gute That!
Sag’ dem Vetter Raunerath,
Seine Kunst er besser nütz’!
Schwanweiss kenn’ Herrn Voland’s Witz!
Hat er nicht am Spass genug,
Der mein Glück in Scherben schlug?
Geh! lasst uns allein!
(Ab.)

FLEDERWISCH  (im Abgehen zu Ute).
Nun, Ute! sprich! wie ist dir jetzt?

UTE  (abgehenud).
Fahr’s gleich drein, das Donnerwetter.
O Jammer! Pein! es ist kein Zweifel!
Und wen liess sie grüssen? welchen Vetter?
Von Voland sprach sie! So heisst ja der Teufel.


SECHSTE SCENE.

Voller Sonnenschein. Schwanwoiss geleitet Wittich zum Rasenlager unter der Linde.
    .
WITTICH.
O Sonne, heiliger Himmelsglanz,
Du sendest deine Strahlen nieder.
Beglücke mich! Entrück’ mich ganz,
Dass schmerzbefreit ich athme wieder.
Alles, was dein Leuchten wärmt,
Durch nächt’gen Todeshauch erstarrt,
Alles deiner Wonne harrt,
Regt sich, flattert, schwirrt und schwärmt:
Alles lacht und alles dankt,
Alles preist die Heilesmacht,
Ohne die in ewger Nacht
Alles matt und wankend schwankt.
Nur Eine Nacht erhellst du nicht!
In Eine bricht kein Sonnenlicht !
Meines Herzens tiefer Not
Leuchtet nicht dein Morgenrot!
Und wär’ es nur des Mondes Strahl,
Des Sternes glitzerndes Gefunkel.
Licht brächt’ es in meine Qual,
Dämmerung in des Busens Dunkel!
Dunkel sag’ ich! armer Narr!
Der zu fernen Sonnen sich wendet.
Strahlt nicht nah ein Augenpaar,
Das mir Licht und Wärme spendet?
Ja! es könnte, wenn es wollte.
Mächt’ge Zauber sind ihm eigen.
Schwanweiss wär’ das Licht, das holde,
Meiner Wunde Schmerz zu schweigen,
Dreimal schöpft’ ich neues Hoffen,
Deine Kunst hab’ ich gepriesen;
Dreimal wieder klafft es offen,
Einen Blutquell sah ich fliessen!
Sag', wie deut’ ich solches Spiel?
Freut’s dein grausam starres Herz,
Dass ich, sehnlich nah’ dem Ziel,
Wieder sink’ in alten Schmerz?
Ist es Täuschung, dieses Auge,
Das so lieblich blickt und mild,
Aus dem ich Trost und Hoffnung sauge,
Wär’ es wirklich Truggebild?
Warum, als die Schmach mich traf,
Fand ich Schutz in deinen Armen!
Was sorgte dich des Wunden Schlaf,
Wozu dein Mitleid? dein Erbarmen?
So gut und doch so kalt zugleich,
So nahe mir und so entrückt —
So karg und doch so überreich
An allem, was euch Frauen schmückt!
Schwanweiss! räthselhaftes Wesen !
Lass mich länger nicht mehr siech.
Willst mich nicht vom Leid erlösen?
Schwanweiss! hörst du ! heile mich !

SCHWANWEISS.
Du weisst’s genau, wann es geschieht.

WITTICH.
Was wüsst,’ ich?

SCHWANWEISS.
Wenn du ganz gut bist.

WITTICH.
Bin ich’s nicht?

SCHWANWEISS.
Ganz gut und friedlich,
Eines vergessend!

WlTTICH.
Ist es das wieder!
Womit ich einzig dir danken könnte,
Die Rache soll ich vergessen?
Deine Ehre dürft’ ich nicht ehren?
Deine Unschuld sollt’ ich nicht schützen?

SCHWANWEISS.
Ach! Worte! eitel, hohl!
Ehre! feiler Tand!
Was ist mir And’rer Achtung
Gegen das Eine — Wahre?

WITTICH  (sieht sie befremdet an).

SCHWANWEISS.
Dass Dietrich es glauben mochte!
Und er glaubt es ja nicht!
Wer säh' klar durch das Gewirr!

WITTICH.
Welch’ sonderbare Milde
Gegen den Ungerechtesten aller,
Gegen deinen Vertreiber,
Der schmählich einen Vorwand suchte,
Weil zum Opfer du erkoren warst!

SCHWANWEISS.
Wittich! Das ist nicht so.

WlTTICH.
Das ist so! Wann log ich?
Höher galt ihm als dein Herz
Eines Sieges Jubel-Tag.

SCHWANWEISS.
Schweig’! ich will es nicht hören!

WITTICH.
Und so elenden Verrath
Am Höchsten, was uns heilig ist,
Den sollte ich nicht rächen dürfen?
(Schweigen.)

SCHWANWEISS.
Du fieberst.

WITTICH  (matt).
Lass mich gesunden!
Heile mich!
(Er fasst sie und blickt ihr in’s Auge).
Krystall!
Kann keine Thräne dich erweichen?
Wie uns’re Augen sich treffen,
Nähern sich die Herzen nie?
Schönste aller Frauen!
Wenn ich der Rache vergässe,
Wenn du mich heilen würdest,
Dass neu in alter Kraft ich erstarkte,
Wenn ich so gut nun würde,
Wie dein Wunsch es will,
Schwamveiss! — sag’! —
(Schwanweiss senkt das Haupt und schweigt.)

WITTICH.
Wittich will gut sein!
Wird Schwanweiss es auch?

SCHWANWEISS.
Gelobst du mir?

WITTICH.
Bei meinem Auge.

SCHWANWEISS.
Soll ich dich heilen?

WITTICH.
Ich flehe dich!
(Schwanweiss nimmt einen Balsam und giesst ihn über
Wittichs Wunde.
ln diesem Augenblick vernimmt man einen Wortwechsel im Haus.)

UTE  (im Hans).
Was suchst du hier?

DlETLEIB.
Lass geh’n! Schweig’!

UTE.
Was willst du mit dem Schwert.?
Gieb’s her! Dietleib!
Es gehört Wittich,
Dietleib! Er läuft davon!

WITTICH.
Wer rief? was hört’ ich?

UTE  (heraustretend).
Ich kann nichts dafür.
Der Bursche floh.
Dietleib nahm dein Schwert.

WITTICH.
Balmung geraubt!
Ha! doppelt blutige Rache!
Schwanweiss! ich räche dich doch!
Dich und mich!
Und mied mich der Tod,
Dann bist du mein.
(Er jagt davon.)

SCHWANWEISS.
So brichst du den Schwur?
Blute denn wieder!
Oeffne dich, Wunde!
(Sie blickt ihm nach, dann verfällt sie in Sinnen.)


SIEBENTE SCENE.

UTE.
Da wär’ er ja fort!
Dietleib treff ich, wie er ein Schwert stiehlt.
Wem gehört es denn eigentlich?

SCHWANWEISS.
Dietrich! —

UTE.
Also wirklich, dem Dietrich!
Und welchem Dietrich?

SCHWANWEISS.
Dietmars Sohne —

UTE.
Den kennst du?

SCHWANWEISS.
Meinen Gatten ?

UTE.
Gatten? und der And’re?
Hast du denn gar ihrer ....
(Ute betrachtet das Kleid der Schwanweiss und lugt,
ob sie den feuchten Saum findet.)

UTE  (für sich).
Weiss der Himmel!
Flederwisch sprach wahr.
(Sie giebt sich einen Ruck.)
Ja, weisst du, Frau,
Heraus muss sie, die Wahrheit.
Wie mein Mann im Sterben lag —
Nie vergess’ ich jenen Tag!
War das Letzte seine Bitte:
"Halt’ in Ehren meine Hütte.“ —
Diese Worte, als klängen sie eben,
Achtet’ ich mein ganzes Leben.
Alle Nachbarn ehren mich,
Preisen laut mich tugendlich!
Weh! Wenn sich’s nun ändern müsste,
Wenn’s zu flüstern rings begänn,
Wenn von Ute man was wüsste,
Wenn man übel von ihr sänn’.

SCHWANWEISS.
Viele Worte! sag’ es kürzer -

UTE.
Musst mich ja nicht missversteh n,
Aber wiss’, ich muss draut sehn,
Dass nicht so Gerüchte geh n,
Bei der Ute wohnten Leut’,
Männlein, Weiblein schön beisammen,
Die die Zeit sich recht versüssen,
Die ohn’ richt’ge Hochgezeit
Doch der Ehe Freud’ gemessen.
(Schwanweiss macht eine zuckende Bewegung.)

UTE.
Ja! Verzeih’! ich weiss, ’s klingt hart,
Du bist lieb und güt’ger Art!
Manche Gab’ hast mir gereicht,
Aber wie’s nun ’mal so steht —
Fürchten muss ich bös Gered’.

SCHWANWEISS.
Genug! ich weiche gern!
Geh’ hin zum Grab! beruhig’ den Gatten!
Sein Haus sei rein wie je zuvor.
Die Hütte trübe kein böser Schatten,
Die ich zum Obdach uns erkor!
Ich geh’ und dank’ und bitt’ in Treu’n,
Es mög dein Herz dir selbst verzeih’n.
(für sich) Wohl begreiflich, doch irriges Wähnen,
Oben auf Erden Glück zu ersehnen.
Hätte der Vater, durch Bitten bethört,
Nie den Wunsch seines Kindes erhört.
Heim zu der Wellen wohligem Grab
Tauch’ ich enttäuscht hinab.
Trübsal fand ich nur, Schmerz und Leiden,
Lohn für kurze Herzensfreuden.
O wie trüg’ ich’s froher Geduld,
Blieb’ mir einzig seine Huld.
Blumen, Blüthen, Gräser, Bäume,
Lebet wohl, ich seh’ euch nimmer.
Zu Ende sind die süssen Träume,
Zu Nichts zergangen! eitler Flimmer.
Ihr war’t mir gut und treu und hold.
Lasst, mich euch meinem Segen weih n.
Erglänzet licht in laut'rem Gold,
Zu nie geahntem Gedeih’n!

   (Mit den Armen, als wolle sie alle schirmen, segnet sie die
Natur. Sonnenuntergang. Sie geht zum Fluss und verschwindet in der Tiefe.    ...
   Alle Blumen, Blüthen und Blätter erscheinen im Goldglanz und ein Gold-Regen fliesst herab. Ute sieht näher hin und gewahrt, dass es eitel Gold ist. Sie holt in grösster Hast einen Korb und häuft darein den Goldstaub.    _    ,
   Zugleich wachsendes Unwetter. Der Fluss schwillt an und will sein Wasser nach vorn ergiessen.)

MÄGDE UND NACHBARN  (eilen herbei).
Frau Ute! Um Gott! welch’ Unwetter!

UTE.
Helft! Schnell!
Sammelt das Gold ein!

DIE NACHBARN.
Was ist?
Was hast du im Korb?

UTE.
Gold! Eitel Gold!
(Das Wetter hört plötzlich auf zu toben. Die Ahend-Sonne  dringt durch.)

DIE NACHBARN  (sehen in den Korb).
Das nennst du Gold?

UTE.
Gold! Gold! Nichts wie Gold!

Die Nachbarn.
So guck’ doch hin.
Blätter! Faule Blätter!

   (Der Teufel erscheint dicht hinter Ute, lacht ihr grell in's
Ohr und verschwindet alsbald.
   Alles rings erscheint wie verdorrt. Ute guckt in den Korb und steht wie versteinert da.
   Man hört die Hirten heimkehren. Sie wollen wieder anhalten, um zu blasen.)

UTE  (wütend).
Heim mit euch! Weg und fort!
Wollt ihr Blätter, faul verdorrt?
(Die Hirten ziehen weiter.)

UTE  (allein, sich an die Stirn schlagend.)
Ach Ute! Ute!
Bist du dumm gewesen! —

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