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Der Text der Oper Banadietrich von Siegfried Wagner


Hier finden Sie die Texte zu Siegfried Wagners Oper Banadietrich,es sind die Originalltexte aus dem Verlag Max Brockhaus, Leipzig (ca. 1909)

UEBER DIE BANADIETRICH-SAGE SCHREIBT VERNALEKEN:

„Dietrich von Bern, Berndietrich gehört nach wendischen Sagen in’s Gefolge des wilden Jägers. In dem benachbarten nördlichen Böhmen (Warnsdorf etc.) heisst er Banadietrich, und man erzählt von ihm folgendes:

Es lebte einst ein Ritter, Namens Banadietrich. Der war so fromm und tugendhaft, dass ihm ein Engel die Speise brachte und der Wind (oder auch die Strahlen der Sonne) ihm den Mantel trug. Der Teufel versuchte all seine Macht, um den frommen vom Wege des guten abzubringen; vergebens, es wollte ihm nicht gelingen. Endlich nahm er zur List seine Zuflucht. Es war eben ein grosser Feiertag und Banadietrich betete in der Kirche. Da nahm der böse die Gestalt eines alten, hässlichen Mannes an und setzte sich, eine Bockshaut in den Krallen, vor die Kirchthür; denn die Heiligkeit des Ortes hielt ihn ab, das innere der Kirche zu betreten. Während der Wandlung nun, da alles mäuschenstill war, biss der Teufel in seine Bockshaut, zerrte daran, liess sie plötzlich fahren und schlug mit dem Kopfe gewaltig gegen die Kirchthür. Dadurch entstand ein grösser Lärm. Banadietrich wandte sich voll Entrüstung um und wollte sehen, wer die heilige Handlung auf solche Art zu stören wage. Da erblickte er den alten, welcher gerade wieder die Bockshaut aus dem Munde riss und den Kopf mit aller Kraft gegen die Thür schleuderte. Bei diesem Anblicke verlor Banadietrich all seine Ernsthaftigkeit; er konnte sich nicht enthalten, laut auf zu lachen. Sein Gelächter gab Ärgernis, und die ganze versammelte Gemeinde wurde in ihrer Andacht gestört.

Nun hatte der Teufel gewonnen, denn der fromme Ritter war unandächtig gewesen und hatte durch sein höses Beispiel auch andere verführt. Bald offenbarte es sich, dass er dadurch das Missfallen des Herrn auf sich geladen. Als er nämlich aus der Kirche trat, liess ihm der Wind den Mantel fallen. Und zu Hause angekommen wartete Banadietrich vergeblich auf den Engel, der ihm ehemals das Essen gebracht hatte.

Nun war der böse thätig, das Herz des gefallenen mehr und mehr von Gott abzuwenden. Bald bemächtigte sich ein tiefer, finsterer Grimm des Ritters. Dieser konnte nicht begreifen, warum Gott eines so kleinen Fehlers wegen ihn so hart bestrafe und ihm so plötzlich seine grosse Gnade entziehe. Seine Erbitterung ging so weit, dass er beschloss, die grösste aller Sünden zu begehen.

Er wusste aber nicht, welches die fernste Sünde sei. Deshalb ging er zu einem Einsiedler und fragte diesen darum. Er erhielt folgenden Bescheid:

Wer sich Brot in die Schuhe legt, diese dann anzieht und so die edle Gottesgabe absichtlich mit Füssen tritt, der verübt die grösste Sünde. Dies that nun Banadietrich und von nun an war er wie umgewandelt. Er betete nicht mehr, besuchte keine Kirche, theilte kein Almosen mehr aus, kurz, er hörte ganz auf, ein tugendhafter Mensch zu sein. Statt der heiligen Messe beizuwohnen trieb er sich in Wäldern und Einöden umher, und in kurzer Zeit hing er dem Jagdvergnügen mit solcher Leidenschaft an, dass er oft tagelang ausserhalb seiner Burg verweilte.

An einem Sonntage, da eben fernes Dorfgeläute zur Kirche rief, flog er in einer wüsten Gegend, wie ein Sturmwind, auf seinem feurigen Rosse einher. Da rief eine gewaltige Stimme vom Himmel herab: „Banadietrich, Banadietrich! Wie lange willst du noch jagen?“ — Der Ritter erzitterte und rief: „So lange als Gott will!“ — Es war sein Glück, dass er also gesprochen, denn hätte er frech geantwortet, so wäre er unverweilt der Hölle zugeritten. Jetzt aber erwiederte die Stimme von oben: „Nun so sollst du jagen bis zum jüngsten Tage!“

Und noch heute jagt der wilde Jäger. Wer zur Neumondzeit des Nachts den Wald durchstreift, hört oft plötzlich in seiner Nähe Hundegebell und den Hufschlag eines Rosses; er vernimmt den Ton des Hiefthornes und den Halloruf des Jägers; aber das Auge vermag nichts in der undurchdringlichen Finsternis zu erspähen, der Wanderer werfe sich zu Boden und drücke das Gesicht in's Gras, auf dass die wilde Jagd über ihn dahinbrause.“

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