Akt 2
Der Text zum 2. Akt der Oper Die Walküre von Richard Wagner
Zweiter Akt - Erste Szene
Wotan, Brünnhilde als Walküre, später Fricka
Wotan
Nun zäume dein Ross, reisige Maid!
Bald entbrennt brünstiger Streit:
Brünnhilde stürme zum Kampf,
dem Wälsung kiese sie Sieg!
Hunding wähle sich, wem er gehört;
nach Walhall taugt er mir nicht.
Drum rüstig und rasch reite zur Wal!
Brünnhilde
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha! Heiaha! Hojotoho! Heiaha!
Dir rat ich, Vater, rüste dich selbst;
harten Sturm sollst du bestehn.
Fricka naht, deine Frau,
im Wagen mit dem Widdergespann.
Hei, wie die goldne Geissel sie schwingt!
Die armen Tiere ächzen vor Angst;
wild rasseln die Räder;
zornig fährt sie zum Zank!
In solchem Strausse streit ich nicht gern,
lieb ich auch mutiger Männer Schlacht.
Drum sieh, wie den Sturm du bestehst:
ich Lustige lass dich im Stich!
Hojotoho! Hojotoho!
Heiaha! Heiaha! Heiahaha!
Wotan
Der alte Sturm, die alte Müh'!
Doch stand muss ich hier halten!
Fricka
Wo in den Bergen du dich birgst,
der Gattin Blick zu entgehn,
einsam hier such ich dich auf,
dass Hilfe du mir verhiessest.
Wotan
Was Fricka kümmert, künde sie frei.
Fricka
Ich vernahm Hundings Not, um Rache rief er mich an:
der Ehe Hüterin hörte ihn,
verhiess streng zu strafen die Tat
des frech frevelnden Paars,
das kühn den Gatten gekränkt.
Wotan
Was so Schlimmes schuf das Paar,
das liebend einte der Lenz?
Der Minne Zauber entzückte sie:
wer büsst mir der Minne Macht?
Fricka
Wie töricht und taub du dich stellst,
als wüsstest fürwahr du nicht,
dass um der Ehe heiligen Eid,
den hart gekränkten, ich klage!
Wotan
Unheilig acht ich den Eid,
der Unliebende eint;
und mir wahrlich mute nicht zu,
dass mit Zwang ich halte, was dir nicht haftet:
denn wo kühn Kräfte sich regen,
da rat ich offen zum Krieg.
Fricka
Achtest du rühmlich der Ehe Bruch,
so prahle nun weiter und preis es heilig,
dass Blutschande entblüht
dem Bund eines Zwillingspaars!
Mir schaudert das Herz, es schwindelt mein Hirn:
bräutlich umfing die Schwester der Bruder!
Wann ward es erlebt,
dass leiblich Geschwister sich liebten?
Wotan
Heut hast du's erlebt!
Erfahre so, was von selbst sich fügt,
sei zuvor auch noch nie es geschehn.
Dass jene sich lieben, leuchtet dir hell;
drum höre redlichen Rat:
Soll süsse Lust deinen Segen dir lohnen,
so segne, lachend der Liebe,
Siegmunds und Sieglindes Bund!
Fricka
So ist es denn aus mit den ewigen Göttern,
seit du die wilden Wälsungen zeugtest?
Heraus sagt' ich's; traf ich den Sinn?
Nichts gilt dir der Hehren heilige Sippe;
hin wirfst du alles, was einst du geachtet;
zerreissest die Bande, die selbst du gebunden,
lösest lachend des Himmels Haft:
dass nach Lust und Laune nur walte
dies frevelnde Zwillingspaar,
deiner Untreue zuchtlose Frucht!
O, was klar ich um Ehe und Eid,
da zuerst du selbst sie versehrt.
Die treue Gattin trogest du stets;
wo eine Tiefe, wo eine Höhe,
dahin lugte lüstern dein Blick,
wie des Wechsels Lust du gewännest
und höhnend kränktest mein Herz.
Trauernden Sinnes musst' ich's ertragen,
zogst du zur Schlacht mit den schlimmen Mädchen,
die wilder Minne Bund dir gebar:
denn dein Weib noch scheutest du so,
dass der Walküren Schar
und Brünnhilde selbst, deines Wunsches Braut,
in Gehorsam der Herrin du gabst.
Doch jetzt, da dir neue
Namen gefielen,
als »Wälse« wölfisch im Walde du schweiftest;
jetzt, da zu niedrigster
Schmach du dich neigtest,
gemeiner Menschen ein Paar zu erzeugen:
jetzt dem Wurfe der Wölfin
wirfst du zu Füssen dein Weib!
So führ es denn aus! Fülle das Mass!
Die Betrogne lass auch zertreten!
Wotan
Nichts lerntest du, wollt' ich dich lehren,
was nie du erkennen kannst,
eh' nicht ertagte die Tat.
Stets Gewohntes nur magst du verstehn:
doch was noch nie sich traf,
danach trachtet mein Sinn.
Eines höre! Not tut ein Held,
der, ledig göttlichen Schutzes,
sich löse vom Göttergesetz.
So nur taugt er zu wirken die Tat,
die, wie not sie den Göttern,
dem Gott doch zu wirken verwehrt.
Fricka
Mit tiefem Sinne willst du mich täuschen:
was Hehres sollten Helden je wirken,
das ihren Göttern wäre verwehrt,
deren Gunst in ihnen nur wirkt?
Wotan
Ihres eignen Mutes achtest du nicht?
Fricka
Wer hauchte Menschen ihn ein?
Wer hellte den Blöden den Blick?
In deinem Schutz scheinen sie stark,
durch deinen Stachel streben sie auf:
du reizest sie einzig,
die so mir Ew'gen du rühmst.
Mit neuer List willst du mich belügen,
durch neue Ränke
mir jetzt entrinnen;
doch diesen Wälsung gewinnst du dir nicht:
in ihm treff ich nur dich,
denn durch dich trotzt er allein.
Wotan
In wildem Leiden erwuchs er sich selbst:
mein Schutz schirmte ihn nie.
Fricka
So schütz auch heut ihn nicht!
Nimm ihm das Schwert, das du ihm geschenkt!
Wotan
Das Schwert?
Fricka
Ja, das Schwert,
das zauberstark zuckende Schwert,
das du Gott dem Sohne gabst.
Wotan
Siegmund gewann es sich selbst in der Not.
Fricka
Du schufst ihm die Not
wie das neidliche Schwert.
Willst du mich täuschen,
die Tag und Nacht auf den Fersen dir folgt?
Für ihn stiessest du das Schwert in den Stamm,
du verhiessest ihm die hehre Wehr:
willst du es leugnen,
dass nur deine List ihn
lockte, wo er es fänd'?
Mit Unfreien streitet kein Edler,
den Frevler straft nur der Freie.
Wider deine Kraft
führt' ich wohl Krieg:
doch Siegmund verfiel mir als Knecht!
Der dir als Herren hörig und eigen,
gehorchen soll ihm dein ewig Gemahl?
Soll mich in Schmach der Niedrigste schmähen,
dem Frechen zum Sporn,
dem Freien zum Spott?
Das kann mein Gatt nicht wollen,
die Göttin entweiht er nicht so!
Wotan
Was verlangst du?
Fricka
Lass von dem Wälsung!
Wotan
Er geh seines Wegs.
Fricka
Doch du schütze ihn nicht,
wenn zur Schlacht ihn der Rächer ruft!
Wotan
Ich schütze ihn nicht.
Fricka
Sieh mir ins Auge, sinne nicht Trug:
die Walküre wend auch von ihm!
Wotan
Die Walküre walte frei.
Fricka
Nicht doch; deinen Willen vollbringt sie allein:
verbiete ihr Siegmunds Sieg!
Wotan
Ich kann ihn nicht fällen: er fand mein Schwert!
Fricka
Entzieh dem den Zauber, zerknick es dem Knecht!
Schutzlos schau ihn der Feind!
Brünnhilde
Heiaha! Heiaha! Hojotoho!
Fricka
Dort kommt deine kühne Maid;
Jauchzend jagt sie daher.
Brünnhilde
Heiaha! Heiaha! Hohotojo! Hotojoho!
Wotan
Ich rief sie für Siegmund zu Ross!
Fricka
Deiner ew'gen Gattin heilige Ehre
beschirme heut ihr Schild!
Von Menschen verlacht, verlustig der Macht,
gingen wir Götter zugrund:
würde heut nicht hehr und herrlich mein Recht
gerächt von der mutigen Maid.
Der Wälsung fällt meiner Ehre!
Empfah ich von Wotan den Eid?
Wotan
Nimm den Eid!
Fricka
Heervater harret dein:
lass ihn dir künden, wie das Los er gekiest!
Zweiter Akt - Zweite Szene
Brünnhilde, Wotan
Brünnhilde
Schlimm, fürcht ich, schloss der Streit,
lachte Fricka dem Lose.
Vater, was soll dein Kind erfahren?
Trübe scheinst du und traurig!
Wotan
In eigner Fessel fing ich mich,
ich Unfreiester aller!
Brünnhilde
So sah ich dich nie! Was nagt dir das Herz?
Wotan
O heilige Schmach! O schmählicher Harm!
Götternot! Götternot!
Endloser Grimm! Ewiger Gram!
Der Traurigste bin ich von allen!
Brünnhilde
Vater! Vater! Sage, was ist dir?
Was erschreckst du mit Sorge dein Kind?
Vertraue mir! Ich bin dir treu:
sieh, Brünnhilde bittet!
Wotan
Lass ich's verlauten,
lös ich dann nicht meines Willens haltenden Haft?
Brünnhilde
Zu Wotans Willen sprichst du,
sagst du mir, was du willst;
wer bin ich, wär' ich dein Wille nicht?
Wotan
Was keinem in Worten ich künde,
unausgesprochen bleib es denn ewig:
mit mir nur rat ich, red ich zu dir.
Als junger Liebe Lust mir verblich,
verlangte nach Macht mein Mut:
von jäher Wünsche Wüten gejagt,
gewann ich mir die Welt.
Unwissend trugvoll, Untreue übt' ich,
band durch Verträge, was Unheil barg:
Listig verlockte mich Loge,
der schweifend nun verschwand.
Von der Liebe doch mocht' ich nicht lassen,
in der Macht verlangt' ich nach Minne.
Den Nacht gebar, der bange Nibelung,
Alberich, brach ihren Bund;
er fluchte der Lieb' und gewann durch den Fluch
des Rheines glänzendes Gold
und mit ihm masslose Macht.
Den Ring, den er schuf,
entriss ich ihm listig;
doch nicht dem Rhein gab ich ihn zurück:
mit ihm bezahlt' ich Walhalls Zinnen,
der Burg, die Riesen mir bauten,
aus der ich der Welt nun gebot.
Die alles weiss, was einstens war,
Erda, die weihlich weiseste Wala,
riet mir ab von dem Ring,
warnte vor ewigem Ende.
Von dem Ende wollt' ich mehr noch wissen;
doch schweigend entschwand mir das Weib.
Da verlor ich den leichten Mut,
zu wissen begehrt' es den Gott:
in den Schoss der Welt schwang ich mich hinab,
mit Liebeszauber zwang ich die Wala,
stört' ihres Wissens Stolz, dass sie Rede nun mir stand.
Kunde empfing ich von ihr;
von mir doch barg sie ein Pfand:
der Welt weisestes Weib
gebar mir, Brünnhilde, dich.
Mit acht Schwestern zog ich dich auf;
durch euch Walküren wollt ich wenden,
was mir die Wala zu fürchten schuf:
ein schmähliches Ende der Ew'gen.
Dass stark zum Streit uns fände der Feind,
hiess ich euch Helden mir schaffen:
die herrisch wir sonst
in Gesetzen hielten,
die Männer, denen den Mut wir gewehrt,
die durch trüber Verträge trügende Bande
zu blindem Gehorsam wir uns gebunden,
die solltet zu Sturm
und Streit ihr nun stacheln,
ihre Kraft reizen zu rauhem Krieg,
dass kühner Kämpfer Scharen
ich sammle in Walhalls Saal!
Brünnhilde
Deinen Saal füllten wir weidlich:
viele schon führt' ich dir zu.
Was macht dir nun Sorge, da nie wir gesäumt?
Wotan
Ein andres ist's:
achte es wohl, wes mich die Wala gewarnt!
Durch Alberichs Heer
droht uns das Ende:
mit neidischem Grimm grollt mir der Niblung:
doch scheu ich nun nicht seine mächtigen Scharen,
meine Helden schüfen mir Sieg.
Nur wenn je den Ring
zurück er gewänne,
dann wäre Walhall verloren:
der der Liebe fluchte, er allein
nützte neidisch des Ringes Runen
zu aller Edlen endloser Schmach;
der Helden Mut entwendet' er mir;
die Kühnen selber
zwäng' er zum Kampf;
mit ihrer Kraft bekriegte er mich.
Sorgend sann ich nun selbst,
den Ring dem Feind zu entreissen.
Der Riesen einer, denen ich einst
mit verfluchtem Gold den Fleiss vergalt:
Fafner hütet den Hort,
um den er den Bruder gefällt.
Ihm müsst' ich den Reif entringen,
den selbst als Zoll ich ihm zahlte.
Doch mit dem ich vertrug,
ihn darf ich nicht treffen;
machtlos vor ihm erläge mein Mut:
das sind die Bande, die mich binden:
der durch Verträge ich Herr,
den Verträgen bin ich nun Knecht.
Nur einer könnte, was ich nicht darf:
ein Held, dem helfend nie ich mich neigte;
der fremd dem Gotte, frei seiner Gunst,
unbewusst, ohne Geheiss,
aus eignet Not, mit der eignen Wehr
schüfe die Tat, die ich scheuen muss,
die nie mein Rat ihm riet,
wünscht sie auch einzig mein Wunsch!
Der, entgegen dem Gott, für mich föchte,
den freundlichen Feind, wie fände ich ihn?
Wie schüf, ich den Freien, den nie ich schirmte,
der im eignen Trotze der Trauteste mir?
Wie macht' ich den andren, der nicht mehr ich,
und aus sich wirkte, was ich nur will?
O göttliche Not! Grässliche Schmach!
Zum Ekel find ich ewig nur mich
in allem, was ich erwirke!
Das andre, das ich ersehne,
das andre erseh ich nie:
denn selbst muss der Freie sich schaffen;
Knechte erknet ich mir nur!
Brünnhilde
Doch der Wälsung, Siegmund, wirkt er nicht selbst?
Wotan
Wild durchschweift' ich mit ihm die Wälder;
gegen der Götter Rat reizte kühn ich ihn auf:
gegen der Götter Rache
schützt ihn nun einzig das Schwert,
das eines Gottes Gunst ihm beschied.
Wie wollt' ich listig selbst mich belügen?
So leicht ja entfrug mir Fricka den Trug:
zu tiefster Scham durchschaute sie mich!
Ihrem Willen muss ich gewähren.
Brünnhilde
So nimmst du von Siegmund den Sieg?
Wotan
Ich berührte Alberichs Ring,
gierig hielt ich das Gold!
Der Fluch, den ich floh, nicht flieht er nun mich:
Was ich liebe, muss ich verlassen,
morden, wen je ich minne,
trügend verraten, wer mir traut!
Fahre denn hin, herrische Pracht,
göttlichen Prunkes prahlende Schmach!
Zusammenbreche, was ich gebaut!
Auf geb ich mein Werk; nur eines will ich noch:
das Ende, das Ende!
Und für das Ende sorgt Alberich!
Jetzt versteh ich den stummen Sinn
des wilden Wortes der Wala:
»Wenn der Liebe finstrer Feind
zürnend zeugt einen Sohn,
der Sel'gen Ende säumt dann nicht!«
Vom Niblung jüngst vernahm ich die Mär,
dass ein Weib der Zwerg bewältigt,
des Gunst Gold ihm erzwang:
des Hasses Frucht hegt eine Frau,
des Neides Kraft kreisst ihr im Schoss:
das Wunder gelang dem Liebelosen;
doch der in Lieb' ich freite,
den Freien erlang ich mir nicht.
So nimm meinen Segen, Niblungen-Sohn!
Was tief mich ekelt, dir geb ich's zum Erbe,
der Gottheit nichtigen Glanz:
zernage ihn gierig dein Neid!
Brünnhilde
O sag, künde, was soll nun dein Kind?
Wotan
Fromm streite für Fricka; hüte ihr Eh' und Eid!
Was sie erkor, das kiese auch ich:
was frommte mir eigner Wille?
Einen Freien kann ich nicht wollen:
für Frickas Knechte kämpfe nun du!
Brünnhilde
Weh! Nimm reuig zurück das Wort!
Du liebst Siegmund;
dir zulieb, ich weiss es, schütz ich den Wälsung.
Wotan
Fällen sollst du Siegmund,
für Hunding erfechten den Sieg!
Hüte dich wohl und halte dich stark,
all deiner Kühnheit entbiete im Kampf:
ein Siegschwert schwingt Siegmund;
schwerlich fällt er dir feig!
Brünnhilde
Den du zu lieben stets mich gelehrt,
der in hehrer Tugend dem Herzen dir teuer
gegen ihn zwingt mich nimmer dein zwiespältig Wort!
Wotan
Ha, Freche du! Frevelst du mir?
Wer bist du, als meines Willens
blind wählende Kür?
Da mit dir ich tagte, sank ich so tief,
dass zum Schimpf der eignen
Geschöpfe ich ward?
Kennst du, Kind, meinen Zorn? Verzage dein Mut,
wenn je zermalmend
auf dich stürzte sein Strahl!
In meinem Busen berg ich den Grimm,
der in Graun und Wust wirft eine Welt,
die einst zur Lust mir gelacht:
wehe dem, den er trifft!
Trauer schüf' ihm sein Trotz!
Drum rat ich dir, reize mich nicht!
Besorge, was ich befahl:
Siegmund falle!
Dies sei der Walküre Werk!
Brünnhilde
So sah ich Siegvater nie;
erzürnt' ihn sonst wohl auch ein Zank!
Schwer wiegt mir der Waffen Wucht.
Wenn nach Lust ich focht,
wie waren sie leicht!
Zu böser Schlacht schleich ich heut so bang.
Weh, mein Wälsung!
Im höchsten Leid
muss dich treulos die Treue verlassen!
Zweiter Akt - Dritte Szene
Sieglinde, Siegmund
Siegmund
Raste nun hier; gönne dir Ruh!
Sieglinde
Weiter! Weiter!
Siegmund
Nicht weiter nun! Verweile, süssestes Weib!
Aus Wonne-Entzücken zucktest du auf,
mit jäher Hast jagtest du fort:
kaum folgt' ich der wilden Flucht;
durch Wald und Flur, über Fels und Stein,
sprachlos, schweigend sprangst du dahin,
kein Ruf hielt dich zur Rast!
Ruhe nun aus: rede zu mir!
Ende des Schweigens Angst!
Sich, dein Bruder hält seine Braut:
Siegmund ist dir Gesell!
Sieglinde
Hinweg! Hinweg! Flieh die Entweihte!
Unheilig umfängt dich ihr Arm;
entehrt, geschändet schwand dieser Leib:
flieh die Leiche, lasse sie los!
Der Wind mag sie verwehn,
die ehrlos dem Edlen sich gab!
Da er sie liebend umfing,
da seligste Lust sie fand,
da ganz sie minnte der Mann,
der ganz ihre Minne geweckt:
vor der süssesten Wonne heiligster Weihe,
die ganz ihr Sinn und Seele durchdrang,
Grauen und Schauder ob grässlichster Schande
musste mit Schreck die Schmähliche fassen,
die je dem Manne gehorcht,
der ohne Minne sie hielt!
Lass die Verfluchte, lass sie dich fliehn!
Verworfen bin ich, der Würde bar!
Dir reinstem Manne muss ich entrinnen,
Dir Herrlichen darf ich nimmer gehören.
Schande bring ich dem Bruder,
Schmach dem freienden Freund!
Siegmund
Was je Schande dir schuf,
das büsst nun des Frevlers Blut!
Drum fliehe nicht weiter, harre des Feindes;
hier soll er mir fallen:
wenn Notung ihm das Herz zernagt,
Rache dann hast du erreicht!
Sieglinde
Horch! die Hörner, hörst du den Ruf?
Ringsher tönt wütend Getös';
aus Wald und Gau gellt es herauf.
Hunding erwachte aus hartem Schlaf!
Sippen und Hunde ruft er zusammen;
mutig gehetzt heult die Meute,
wild bellt sie zum Himmel
um der Ehe gebrochenen Eid!
Wo bist du, Siegmund? Seh ich dich noch,
brünstig geliebter, leuchtender Bruder?
Deines Auges Stern lass noch einmal mir strahlen:
wehre dem Kuss des verworfnen Weibes nicht!
Horch, o horch! Das ist Hundings Horn!
Seine Meute naht mit mächt'ger Wehr:
kein Schwert frommt
vor der Hunde Schwall:
wirf es fort, Siegmund! Siegmund, wo bist du?
Ha dort! Ich sehe dich! Schrecklich Gesicht!
Rüden fletschen die Zähne nach Fleisch;
sie achten nicht deines edlen Blicks;
bei den Füssen packt dich das feste Gebiss,
du fällst - in Stücken zerstaucht das Schwert.
Die Esche stürzt, es bricht der Stamm!
Bruder, mein Bruder! Siegmund - ha!
Siegmund
Schwester! Geliebte!
Zweiter Akt - Vierte Szene
Brünnhilde, Siegmund
Brünnhilde
Siegmund! Sieh auf mich!
Ich bin's, der bald du folgst.
Siegmund
Wer bist du, sag, die so schön und ernst mir erscheint?
Brünnhilde
Nur Todgeweihten taugt mein Anblick;
wer mich erschaut, der scheidet vom Lebenslicht.
Auf der Walstatt allein erschein ich Edlen:
wer mich gewahrt, zur Wal kor ich ihn mir!
Siegmund
Der dir nun folgt, wohin führst du den Helden?
Brünnhilde
Zu Walvater, der dich gewählt,
führ ich dich: nach Walhall folgst du mir.
Siegmund
In Walhalls Saal Walvater find ich allein?
Brünnhilde
Gefallner Helden hehre Schar
umfängt dich hold mit hoch-heiligem Gruss.
Siegmund
Fänd' ich in Walhall Wälse, den eignen Vater?
Brünnhilde
Den Vater findet der Wälsung dort.
Siegmund
Grüsst mich in Walhall froh eine Frau?
Brünnhilde
Wunschmädchen walten dort hehr:
Wotans Tochter reicht dir traulich den Trank!
Siegmund
Hehr bist du,
und heilig gewahr ich das Wotanskind:
doch eines sag mir, du Ew'ge!
Begleitet den Bruder die bräutliche Schwester?
Umfängt Siegmund Sieglinde dort?
Brünnhilde
Erdenluft muss sie noch atmen:
Sieglinde sieht Siegmund dort nicht!
Siegmund
So grüss mir Walhall, grüsse mir Wotan,
grüsse mir Wälse und alle Helden,
grüss auch die holden Wunschesmädchen:
zu ihnen folg ich dir nicht.
Brünnhilde
Du sahest der Walküre sehrenden Blick:
mit ihr musst du nun ziehn!
Siegmund
Wo Sieglinde lebt in Lust und Leid,
da will Siegmund auch säumen.
Noch machte dein Blick nicht mich erbleichen:
vom Bleiben zwingt er mich nie!
Brünnhilde
Solang du lebst, zwäng' dich wohl nichts:
doch zwingt dich Toren der Tod:
ihn dir zu künden, kam ich her.
Siegmund
Wo wäre der Held, dem heut ich fiel?
Brünnhilde
Hunding fällt dich im Streit.
Siegmund
Mit Stärkrem drohe
als Hundings Streichen!
Lauerst du hier lüstern auf Wal,
jenen kiese zum Fang:
ich denk ihn zu fällen im Kampf!
Brünnhilde
Dir Wälsung, höre mich wohl:
dir ward das Los gekiest.
Siegmund
Kennst du dies Schwert?
Der mir es schuf, beschied mir Sieg:
deinem Drohen trotz ich mit ihm!
Brünnhilde
Der dir es schuf, beschied dir jetzt Tod:
seine Tugend nimmt er dem Schwert!
Siegmund
Schweig und schrecke die Schlummernde nicht!
Weh! Weh! Süssestes Weib,
Du traurigste aller Getreuen!
Gegen dich wütet in Waffen die Welt:
und ich, dem du einzig vertraut,
für den du ihr einzig getrotzt,
mit meinem Schutz nicht soll ich dich schirmen,
die Kühne verraten im Kampf?
Ha, Schande ihm, der das Schwert mir schuf,
beschied er mir Schimpf für Sieg!
Muss ich denn fallen, nicht fahr ich nach Walhall:
Hella, halte mich fest!
Brünnhilde
So wenig achtest du ewige Wonne?
Alles wär' dir das arme Weib,
das müd und harmvoll matt von dem Schosse dir hängt?
Nichts sonst hieltest du hehr?
Siegmund
So jung und schön erschimmerst du mir:
doch wie kalt und hart erkennt dich mein Herz!
Kannst du nur höhnen, so hebe dich fort,
du arge, fühllose Maid!
Doch musst du dich weiden an meinem Weh,
mein Leiden letze dich denn;
meine Not labe dein neidvolles Herz:
nur von Walhalls spröden Wonnen
sprich du wahrlich mir nicht!
Brünnhilde
Ich sehe die Not, die das Herz dir zernagt,
ich fühle des Helden heiligen Harm:
Siegmund, befiehl mir dein Weib:
mein Schutz umfange sie fest!
Siegmund
Kein andrer als ich soll die Reine lebend berühren:
verfiel ich dem Tod, die Betäubte töt ich zuvor!
Brünnhilde
Wälsung! Rasender! Hör meinen Rat:
befiehl mir dein Weib um des Pfandes willen,
das wonnig von dir es empfing.
Siegmund
Dies Schwert, das dem Treuen ein Trugvoller schuf;
dies Schwert, das feig vor dem Feind mich verrät:
frommt es nicht gegen den Feind,
so fromm es denn wider den Freund!
Zwei Leben lachen dir hier:
nimm sie, Notung, neidischer Stahl!
Nimm sie mit einem Streich!
Brünnhilde
Halt ein, Wälsung! Höre mein Wort!
Sieglinde lebe und Siegmund lebe mit ihr!
Beschlossen ist's; das Schlachtlos wend ich:
dir, Siegmund, schaff ich Segen und Sieg!
Hörst du den Ruf? Nun rüste dich, Held!
Traue dem Schwert und schwing es getrost:
treu hält dir die Wehr,
wie die Walküre treu dich schützt!
Leb wohl, Siegmund, seligster Held!
Auf der Walstatt seh ich dich wieder!
Zweiter Akt - Fünfte Szene
Siegmund, Sieglinde, Hunding, Brünnhilde, Wotan
Siegmund
Zauberfest bezähmt ein Schlaf
der Holden Schmerz und Harm.
Da die Walküre zu mir trat,
schuf sie ihr den wonnigen Trost?
Sollte die grimmige Wal
nicht schrecken ein gramvolles Weib?
Leblos scheint sie, die dennoch lebt:
der Traurigen kost ein lächelnder Traum.
So schlummre nun fort,
bis die Schlacht gekämpft
und Friede dich erfreu'!
Der dort mich ruft, rüste sich nun;
was ihm gebührt, biet ich ihm:
Notung zahl ihm den Zoll!
Sieglinde
Kehrte der Vater nur heim!
Mit dem Knaben noch weilt er im Wald.
Mutter! Mutter! Mir bangt der Mut:
nicht freund und friedlich scheinen die Fremden!
Schwarze Dämpfe, schwüles Gedünst,
feurige Lohe leckt schon nach uns,
es brennt das Haus: zu Hilfe, Bruder!
Siegmund! Siegmund! Siegmund! Ha!
Hunding
Wehwalt! Wehwalt!
Steh mir zum Streit, sollen dich Hunde nicht halten!
Siegmund
Wo birgst du dich, dass ich vorbei dir schoss?
Steh, dass ich dich stelle!
Sieglinde
Hunding! Siegmund! Könnt' ich sie sehen!
Hunding
Hieher, du frevelnder Freier! Fricka fälle dich hier!
Siegmund
Noch wähnst du mich waffenlos, feiger Wicht?
Drohst du mit Frauen, so ficht nun selber,
sonst lässt dich Fricka im Stich!
Denn sieh: deines Hauses heimischem Stamm
entzog ich zaglos das Schwert;
seine Schneide schmecke jetzt du!
Sieglinde
Haltet ein, ihr Männer! Mordet erst mich!
Brünnhilde
Triff ihn, Siegmund! Traue dem Schwert!
Wotan
Zurück vor dem Speer! In Stücken das Schwert!
Siegmund stürzt tot zu Boden.
Brünnhilde (zu Sieglinde)
Zu Ross, dass ich dich rette!
Wotan (zu Hunding)
Geh hin, Knecht! Knie vor Fricka:
meld ihr, dass Wotans Speer gerächt, was Spott ihr schuf.
Geh! Geh!
(Vor seinem verächtlichen Handwink sinkt Hunding tot zu Boden.)
Doch Brünnhilde! Weh der Verbrecherin!
Furchtbar sei die Freche gestraft,
erreicht mein Ross ihre Flucht!